Ein anstrengender Arbeitstag liegt hinter mir – zum Glück erfolgreich. Nun schnell in den ICE und entspannt gen Hamburg. Die sonoren Fahrgeräusche des Flaggschiffs der Deutschen Bahn wiegen mich in einen kurzen, wohlverdienten Schlaf – ich träume von Freiheit und Wohlstand und hoffe, dass meine paar Aktien, die ich besitze, mich diesem Ziel durch ungeahnt erfreuliche Renditen ein Stück näher bringen…als ich nach einigen Minuten des „Wegträumes“ wieder zu mir finde, greife ich nichtsahnend zum Business Update der Welt. „Deutsche Aktien rutschen ab“ – ich bin erschreckt…sehe all meine Wünsche und Träume zerplatzen.

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Kurze Reflektion: Was machen Zeitungen bzw. Journalisten eigentlich mit uns? Sie versuchen uns Angst zu machen, denn mit der Angst der Menschen lässt sich Auflage machen. Dem geneigten Betrachter des genannten Artikels und der oben aufgeführten Grafik der Welt vom 04.10.10 muss der Eindruck entstehen, dass der DAX in den letzten 5 Tagen um nahezu 90% gefallen sein muss. Das kann schon ängstlich machen, oder? 

Da ich heute keine Angst vor der Angst habe, sehe ich mir die Grafik nochmals genauer an. Und siehe da: Jetzt wird klar, dass der DAX tatsächlich nur um wenige (unwesentliche?) Prozentpunkte gefallen ist.

Ich will nicht mit solchen Daten konfrontiert werden…und schon gar nicht, wenn ich vorher gerade ein entspanntes „Nickerchen“ gehalten habe. Nun ist der Instinkt des BI-Beraters geweckt: Ich übernehme die Daten aus der „Welt-Grafik“ in Microsoft Excel und baue die „Horrorbotschaft“ nach.

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Nun entferne ich das böswillige und damit vorsätzliche „Abschneiden der Achse“, indem ich die y-Achse nicht bei 6120 Punkten, sondern einfach mal mit Null beginnen lasse. Und siehe da…ist doch gleich anders!

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Ich habe die Höhe des Diagramms bewusst nicht verändert. Der Effekt ist deutlich: Die Aktienkurse sind tatsächlich nur um wenige Prozentpunkte gefallen. Auch nimmt die Abbildung so nicht mehr Platz in Anspruch; denn jede Zeile in der Zeitung ist bares Geld…ich verstehe, dass das Ergebnis bzw. die Botschaft dieser Grafik für den Zeitungsmacher absolut nicht zufriedenstellend ist.
Das Diagramm hat einfach keine Aussage!…und würde niemals auch nur einen Blick eines einzigen Lesers auf sich ziehen…

Ich bleibe hartnäckig und frage mich nun: Warum denn um Gotteswillen dieses ganze Theater? Was ist denn die eigentliche Botschaft „hinter“ der Grafik.

Ich bin kein Börsenmakler! Aber ich denke: Die prozentuale Veränderung des Kurses im Vergleich zum Vortag (bzw. zur Vorwoche) ist die wichtige Information. Wenn man nun in der Lage wäre, klar zu definieren, ab welchem prozentualen Wertverlust man (der investigative Journalist) von „Abrutschen“ sprechen darf, dann würde weniger „Angst und Schrecken“ durch etablierte Gazetten verbreitet werden.

Ich definiere einfach: Eine Wertverlust ist genau dann als „Abrutschen“ zu bezeichnen, wenn der Wertverlust im Vergleich zum Vortag größer als 1% ist. Nun stelle ich die Abweichung des Wertverlustes zum Vortag als Balkendiagramm dar und färbe die Balken mit einem Wert kleiner -1% rot ein.

Dann sieht das Diagramm wie folgt aus:

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Jetzt bin auch ich endgültig davon überzeugt: „Deutsche Aktien rutschen ab“ – die „Welt“ hat recht und ich verstanden….

…ich stelle die Lehne meines Sitzes im ICE noch ein wenig zurück und träume beruhigt weiter.